Mittwoch, 16. Juli 2014

Thailand: Ihr seid zu dumm um zu wählen!



For the ENGLISH VERSION click here!



Vor einigen Tagen hatte ein Freund von mir diesen Artikel aus der Bangkok Post auf Facebook gepostet, über dessen Inhalt ich mich sehr aufgeregt hatte! Wie oft mussten wir uns dieses herablassende und menschenverachtende Gerede über die unterschiedliche Wertikeit von Wahlstimmen (und damit letztendlich auch die unterschiedliche Wertigkeit von Menschen) schon anhören. Von früh morgens bis tief  in die Nacht wurde während der Anti-Regierungsproteste immer wieder von Rednern und Anhängern der PAD (Anti-Regierungsproteste 2005 -2008) und PDRC (Antiregierungsproteste November 2013 - Mai 2014) das Prinzip von "ein Wähler - eine Stimme" in Frage gestellt. Immer wieder wurde es damit begründet, die anderen seien entweder zu dumm um zu wählen oder weniger wertvolle Menschen. 
Beide Protestbewegungen waren rechtsgerichtet, ultra-royalistisch, teilweise faschistisch und überwiegend anti-demokratisch ausgerichtet.
(mehr dazu unter: http://yanawa.blogspot.com/2014/01/die-anti-regierungsproteste-in-bangkok.html)

Sehr interessant ist das Argument des Dozenten Ponn im zweiten Teil des Artikels, wenn er den Leser fragt, ob er sich vor einem Gericht statt von einem Anwalt auch von einem Architekten verteidigen lassen würde, usw.
Ich denke, dass er mit dieser Art von Beispiel zeigen will, dass man ein gewisses Fachwissen/eine gewisse Erfahrung, Intelligenz und einen Bildungsstandard besitzen muß, wenn man seinen Beruf anständig ausüben will. Und diese Vorstellung überträgt er dann auch ohne zu differenzieren auf das Wahlrecht und den Wert der Stimme eines Wählers.
Was die Ausübung des Berufes betrifft, mag er ja damit durchaus richtig liegen. Aber es ist völliger Unsinn, dies als Messlatte für den Wert eines Wählers oder einer abgegebenen Stimme anzusetzen. In der Politik geht es für viele Menschen (in Thailand) erstmal um die Bewältigung der dringensten Probleme und Nöte im Alltag und die Garantie einer Grundvorsorgung. Ausserdem sollte die Politik Visionen für das ganze Land entwickeln und die Interessen des gesamten Volkes und nicht nur der Eliten vertreten.
Man braucht keinen Hochschulabschluss, um die eigenen Nöte und Bedürfnisse zu erkennen. Der Reisbauer, der Fabrikarbeiter, der Taglöhner, der Geschäftsinhaber und der Straßenhändler wissen genau, was sie wollen: bessere Bezahlung, faire Steuern, weniger "Spenden" für Lehrer, Polizisten, Grundbesitzer, Politiker ..., bessere Bildung für ihre Kinder, ein erschwingliches Gesundheitssystem usw. 
Und schließlich ist es auch eine Frage des Anstandes und des menschlichen Miteinanders, wie man seine Mitbürger ansieht und behandelt: wie Mitmenschen, Untertanen, Leibeigene oder Tiere.

Nachdem man mit diesem Unsinn schon seit so vielen Jahren konfrontiert wird, könnte man meinen, dass ich mich daran gewöhnt hätte. Aber im Gegenteil, jedes Mal, wenn ich solches unfundiertes und dummes Gerede lese oder höre, regt es mich mehr auf!
Nach Ansicht des Dozenten Ponn sind Menschen mit einer guten Bildung oder Menschen mit einem höheren Schulabschluss intelligenter als andere und somit bessere/wertvollere Wähler (bzw. Menschen) und das müsse man bei den kommenden Wahlen (wann auch immer die stattfinden werden) berücksichtigen. David Streckfuss' satirischer Entwurf vermittelt einen Eindruck, wie Herr Ponn und andere Ultra-Konservative sich eine Reform des Wahlgestzes eventuell vorstellen dürften.

































(mehr dazu unter: http://yanawa.blogspot.com/2014/01/die-anti-regierungsproteste-in-bangkok.html)


Aber bitte versteht mich nicht falsch! Es gibt viele sehr nette, anständige und gut ausgebildete Menschen in diesem Land. In allen Gesellschaftsschichten! Nicht jeder hat für seine guten Noten in der Schule oder auf der Universität bezahlt, nicht jeder ist gierig und korrupt und nicht jeder hat Angst, die Verantwortung für sein Leben und seine Entscheidungen zu übernehmen. Viele meiner Freunde und Bekannten engagieren sich für Menschenrechte, Meinungsfreiheit, freie und faire Wahlen, Arbeitsrechte und Demokratie und verdienen dafür den allerhöchsten Respekt. Andere wollen einfach nur ihr normales Leben leben und weigern sich, anderen ihren Willen oder ihre Meinung aufzuzwingen. Und sie akzeptieren, dass verschiedene Menschen verschiedene Ansichten oder Standpunkte haben oder vertreten können.

Leider wird Thailand derzeit von einer skrupellosen, gewaltbereiten, anti-demokratischen, gierigen und leider nur langsam kleiner werdenden Minderheit dominiert, die zutiefst davon überzeugt ist, dass der Wert eines Menschen durch seinen Wohlstand, seinen Bildungsgrad und seiner Stellung innerhalb der Gesellschaft definiert wird. Blinder Gehorsam ist das ultimative Ziel. Unterschiedliche oder abweichende Meinungen werden nicht toleriert. Und sie gehen unnachgiebig und mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen jeden vor, der damit nicht einverstanden ist oder eine andere Meinung vertritt.

Die folgenden Beispiele sollen belegen, das tolle Hochschulabschlüse oder Reichtum nicht unbedingt ein Zeichen für hohe Intelligenz sein müssen. Der Stand des Allgemeinwissens ist bei den Angehörigen der selbsternannten Elite oft erschreckend niedrig und manche besitzen nicht einmal die grundlegenden Kenntnisse, die zur Ausübung ihres Berufes notwendig sind! 

Alle Bilder wurden in oder nahe unsere unmittelbatren Nachbarschaft aufgenommen.


Thai NHRC


Mein erstes Beispiel bezieht sich auf die thailändische National Human Rights Commission (NHRC).
Die Mitglieder der Menschenrechtskommission  scheinen "intelligent und gut ausgebildet" zu sein und viele Thais betrachten sie als ehrenvolle und anständige Menschen. Demnach wären sie nach der oben genannten Definition äußerst qualifizierte Wähler.
Aber wenn man sich die Handlungsweise, die Kommentare und Berichte der thailändischen Menschenrechtskommission seit 2010 aus der Nähe betrachtet, wird deutlich, dass die Mitglieder der Kommission nicht die geringste Vorstellung von den Aufgaben ihres Amtes haben oder worum es in ihrem Beruf geht! Sie haben keine Ahnung von den Prinzipien der Menschenrechte oder deren Definition (siehe Text unten) und sie sind nicht in der Lage, zwischen einfacher/normaler Gesetzgebung und Menschenrechten zu unterscheiden. Nähmen wir den Dozenten Ponn beim Wort, müsste man den Kommissionsmitgliedern wegen ihrer Unfähigkeit und Unwissenheit das Wahlrecht entziehen oder zumindest sollten ihre Stimmen weniger wert sein als die von "besser qualifizierten/klugen" Wählern.

Prach Panchakunathorn schrieb in seiner Analyse über den Bericht der Menschenrechtskommission (über die gewaltsamen Niederschlagungen im April und Mai 2010) folgendes:

...1. The NHRC does not understand the difference between violating human rights and violating the law

It should be quite obvious that violating human rights is different from breaking the law. The fact that someone violates the law does not imply that he also violates human rights. And the fact that someone abides by the law does not imply that he abides by the principles of human rights.

However, the NHRC does not seem to understand this distinction. On page 52-53, the NHRC writes: “The demonstration [by the UDD on 22 April 2010] involved acts that constituted violations of various laws, and caused troubles and damage. So we can say that the UDD’s demonstration involved acts that violated human rights.”

2. The NHRC does not understand the difference between human rights and other rights

The NHRC’s report shows that the NHRC does not understand that human rights are different from ordinary rights, and that violating human rights is different from causing troubles and inconveniences. The NHRC spends a good portion of the report explaining how the UDD’s protests caused troubles and violated some rights and freedom – such as the right to drive vehicles freely without being blocked by protesters, and the freedom to conduct business without being disturbed by protests – as if these rights were human rights.

For example, on page 30 the NHRC writes: “Some protesters had moved to Ratchaprasong intersection, which is an important business area. The protest aimed to block traffic routes and prevent people from using their vehicles, as the area is an important transport hub in the heart of Bangkok. Also, the protest continued for several days without a scheduled end, which affected important businesses, caused troubles, and prevented people from working and living as they normally do.”

In reality, the freedom to drive vehicles unobstructed and the freedom to work and conduct business undisturbed, though often recognised by the state as legal rights, are not human rights...


(Human rights, the law and violence in 2010 by PRACH PANCHAKUNATHORN, 18 AUGUST 2013 (http://asiapacific.anu.edu.au/newmandala/2013/08/18/human-rights-the-law-and-violence-in-2010/)




Anschlussgleise für Gefahrguttransporte in der Nähe der Öl-Depots zweier internationler Ölkonzerne (nahe Klong Toey/Yannawa)


Die folgenden Bilder zeigen den Gleisanschluss für zwei Öl-Depots in Klong Toey/Yannawa, Bangkok, nahe des Flusses Chao Phraya. Entlang der Gleise befinden sich dicht bewohnte Gebiete und Industrieanlagen. Das ganze Areal ist mehr oder weniger unbewacht und ungeschützt. Zeitweise ist der Geruch von Lösungsmitteln unerträglich.
Die Personen, die die Verantwortung für die Sicherheit der Region, den Zustand der Gleisanlagen und die Sicherheit der Züge tragen, mögen durchaus klug und gebildet sein, aber sie sind auch unverantwortlich und/oder leichtsinnig. Sie riskieren schlimmstenfalls das Leben von Hunderten oder Tausenden von unschuldigen Menschen. Und deren Stimme ist angeblich wertvoller als die eines Arbeiters oder normalen Angestellten?

Diese Zubringergleise werden mehrmals täglich befahren (und sind nicht etwa stillgelegt).


Die Schwellen und Verankerungen sind zum Teil in einem erbärmlichen Zustand.
Tankwaggons für Öl- und Benzintansporte.





UN-NummerGefahrenzahlKlasseBezeichnung
120130 + 333Fuselöl
1202303Dieselkraftstoff oder Gasöl oder Heizöl (leicht)
1203333Benzin oder Ottokraftstoffe




Das BRT-Desaster


Die folgenden Bilder zeigen eine "Bushaltestelle" und nicht etwa einen Bahnhof oder eine Skytrain-Station (BTS)! Die eigentliche Idee war, ein Schnellbus-System ähnlich wie z.B. in Mexico-City oder anderen Metropolen einzuführen. Aber in Mexiko-Stadt fahren die Busse im Fünf-Minuten-Takt vor bzw. ab und das Netzwerk umfasst große Teile der Stadt. In Bangkok dagegen gibt es nur eine einzige Route: von der Sathornstraße bis zur Charansanitwong Straße. Manchmal halten an einer  Haltestelle vier Busse in 10 Minuten und dann muss man wieder 30 - 40 Minuten auf den nächsten Bus warten (einen Fahrplan gibt es nicht). Das ganze System ist unausgegoren und funktioniert nicht. 
Auch die Haltestellen sind eine einzige Fehlplannung. Viele der teuren Rolltreppen sind ständig defekt oder aber (die meiste Zeit) abgeschaltet. Die Rollstuhlrampen sind nur ein schlechter Witz (siehe unten). Es gibt bis zu sieben Fahrkartenschalter pro Station (von denen meist nur einer besetzt ist) für Busse, die maximal 40 Fahrgäste auf einmal transportieren können! 
Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass eine Reihe von Menschen sehr viel Geld mit diesen überdimensionierten Busstationen verdient haben. Und da die zuvor vierspurige Straße auf drei Spuren reduziert wurde, bricht der Verkehr während der Stosszeiten nun endgültig zusammen.

Die Rolltreppen (rote Kreise) dieser überdimensionierten Haltestellen sind meistens ausser Betrieb.






Die Rollstuhlrampen sind die absoluten Höhepunkte der Ingenieurskunst!
Zwischen der Betonwand und der Hecke beträgt die Durchgangs- bzw. Durchfahrtsbreite maximal 35 Zentimeter (roter Kreis). Am Ende der Betonwand sind es sogar weniger als 10 Zentimeter (gelber Kreis). Wenn man dann den schmalen Durchgang mit dem Rollstuhl bewältigt hat, gilt es die ca. 30  Zenimeter hohe (oder höher) Bordsteinkante unbeschadet hinunterzukommen (ebenfalls gelber Kreis).
Nach diesen "kleinen" Hindernissen gilt es die Betonblöcke zu überwinden, die die Bus-Spur von der Fahrbahn abgrenzen (grüner Kreis). Danach braucht man nur noch die dreispurige Hauptstrasse zu überqueren (am besten so schnell wie möglich).
Fast alle Haltestellen sind mit exakt den gleichen oder ähnlichen Rampen ausgestattet. Nur ganz wenige Haltestellen besitzen einen Aufzug.





Rufstationen für Taxen




Ein weiteres Beispiel für eine nicht verstandene Idee und die Verschwendung von Steuergeldern! Vor Jahren wurden Hunderte dieser Taxi-Rufsäulen in der ganzen Stadt installiert - und das in einer Stadt, in der jeden Tag bis zu 20.000 Taxen unterwegs sind. Die Aktion war insbesondere schon deswegen vollkommen sinnlos, da diese Stationen nur an stark befahrenen Hauptstraßen platziert wurden. Normalerweise muss man in Bangkok nicht länger als 2 -3 Minuten warten, bis ein Taxi vorbeifährt (auch spät in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden ist es kein Problem ein Taxi anzuhalten). Warum sollte man also ein Taxi über eine Rufstation anfordern, wenn man dann bis zu 20 Minuten (oder länger) auf ein Taxi warten muss? Inzwischen wurden alle Rufstationen abgeschaltet, viele waren defekt, schwer beschädigt oder wurden ausgeschlachtet.



Überschwemmte Straßen 

Große Abwasserkanäle können mehr Wasser abführen als kleine Abwasserkanäle. Und Wasser fließt immer bergab und NICHT bergauf! Diese zwei einfachen Regeln scheinen viele thailändische Ingenieure und Politiker zu überfordern. Und dabei ist es gar nicht so kompliziert. Hier eine kleine Hilfe für die Planung:

Schmutzwasser         +         Regenwasser                             =   Innendurchmesser des Abwasserkanals

q8 = m * w * s          +        r = i * 10 (vereinfachte Formel)   =   Innendurchmesser des Abwasserkanals
          3600                              60
















Bangkoks neuen Fahrradstationen 


Auch hier: eine gute Idee, nur leider schlecht umgesetzt. Man kann nicht einfach ein Konzept kopieren, das in Städten wie Kopenhagen oder Amsterdam gut funktioniert und es einfach auf Bangkok übertragen, ohne es den veränderten Bedingungen anzupassen. Für eine Einwohnerzahl von offiziell 6,5 Millionen Menschen (inoffiziell, laut einem Vertreter des Stadtplanungsamtes, leben in dieser Stadt sogar 13 - 15 Millionen Menschen) steht nur eine sehr geringe Anzahl von Fahrrädern zur Verfügung, ca. sechs bis zehn Fahrräder pro Station. Die insgesamt 50 Stationen wiederum befinden sich ausschließlich im Bereich zwischen der Sathornstraße und der Rama I Straße, Bangkoks größten Geschäfts- und Einkaufsviertel. Das sind gerade mal 400 bis 450 Fahrräder für Hunderttausende von Besuchern und Berufspendlern. Die Stationen verteilen sich auf ein Gebiet von vielleicht 10 x 10 Quadratkilometern (also ca. 100 Quadratkilometern). Bezogen auf die Gesamtfläche Bangkoks von ca. 2100 Quadratkilometern ist das Angebot an Fahrradstationen und der angeschlossene Bereich geradezu lächerlich gering. Auch diess Projekt ist wieder mal nur eine weitere, unausgereifte Idee einiger Mitglieder unserer ach so klugen, wertvolleren "Wähler".












weitere Links:
Bangkok after coup faces/Bangkok nach dem Putsch
nach dem Putsch in Thailand
Wahltag in Bangkok Zusammenfassung und Fotoserie
die Anti-Regierungsproteste in Bangkok - eine faschistische Bewegung?






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen