Mittwoch, 19. Dezember 2012

Der Somyot Prueksakasemsuk-Prozess - DEUTSCHE VERSION

to the ENGLISH VERSION


“I would not be the last victim as long as we are still trapped in the rule which is essentially a dictatorship, but is falsely portrayed as a democracy to the world. I shall fight for freedom until my last breath. I may agree to shed my freedom, but not my humanity."

(written from prison by Somyot Prueksakasemsuk ,holding cell, Crime Suppression Division,
Bangkok 8.30 am, May 2, 2011)


Somyot Prueksakasemsuk, 19.12.2012

 

Dieser Blog wird aktualisiert sobald das Urteil ergangen ist.

 

Die Verhaftung und die Anklage

Am 30.April 2011 wurde Somyot Prueksakasemsuk am Grenzübergang in Aranyaprathet (in der Provinz Sa Keaw) verhaftet. Während der Überprüfung seines Passes per Computerabgleich stellte die Beamtin des Grenzschutzes Pol Sen Sgt Maj Kanokrat Tanlo fest, dass Somyot zur Fahndung ausgeschrieben war. Der Vorwurf lautete auf Verletzung des Paragrafen 112 (Majestätsbeleidigung) des Strafgesetzbuches. Angeblich wollte Somyot an diesem Tag als Tour-Guide eine Gruppe von Touristen über die Grenze nach Kambodscha führen. Vielleicht gab es aber auch einen anderen Grund für den geplanten Grenzübertritt. Gegenüber der deutschen Korrespondentin Nicola Glass erklärte er in einem Interview während eines Protestes der Rothemden vor dem UN-Gebäude in Bangkok: "Die Druckerei wurde geschlossen, die Publikation selbst wurde nicht eingestellt. Wir bringen das Magazin anderswo heraus. Es wird im Nachbarland Kambodscha gedruckt und wir schmuggeln es dann über die Grenze. In Thailands Gesellschaft haben wir nicht die Freiheit, unsere Meinungen publik zu machen, wir haben keine Redefreiheit." (Somyot Prueksakasemsuk, 26.10.2010)  http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/1495239/ 
Seit seiner ersten zeitweiligen Verhaftung im Mai 2010 durch das CRES (Zentrale für die Lösung von Notsituationen/Ausnahmezustandssituationen) ist er insgesamt viermal mit gültigem Visum und ohne Probleme nach Kambodscha eingereist.

Das DSI (Abteilung für Sonderermittlung) hätte ihn jederzeit zu Hause oder am Arbeitsplatz verhaften können. Seine Privatadresse war den Behörden bekannt, und er war nicht untergetaucht. Im Gegenteil, Somyot war politisch aktiv, trat öffentlich auf (siehe Fotos) und arbeitete als Redakteur. Wenn ich ihn finden und Aufnahmen von ihm machen konnte, warum dann nicht auch die Polizei oder das DSI? Stattdessen warteten die Behörden, bis er das Land verlassen wollte. Dieses Verhalten der Ordnungskräfte erinnert mich sehr an ein ähnliches Ereignis im September 2010. Als die Webmasterin Chiranuch Premchaiporn (oder Premchaipoen) am 24.September 2010 von einer internationalen Internet-Konferenz in Budapest nach Thailand zurückkehrte, wurde sie am Flughafen Suvarnabhumi von den Grenzbeamten verhaftet. Warum aber am Flughafen? Auch ihre Privatwohnung und die Adresse ihres Büro bei Prachatai waren der Polizei bekannt. Im Gegensatz zu Somjot kam Chiranuch allerdings gegen Zahlung einer Kaution von 200.000 Baht auf freien Fuß (siehe auch Fußnote #1, Link nur in Englisch).
http://en.rsf.org/thailand-news-website-editor-arrested-on-24-09-2010,38440.html

Am 26.10.2010 nahm Somyot an einer Protestkundgebung der Rothemden vor dem UNO-Gebäude an der Ratchadamnoen Nok Road teil und gab den Medien interviews.

Am 25.01.2011 versammelten sich Somyot und seine Mitstreiter der  Protestbewgung "24th of June Democracy Movement" zu einer Kundgebung am Denkmal der Demokratie.


Somyot wurde als verantwortlicher Chef-Redakteur wegen der Veröffentlichung zweier Artikel (die er NICHT selbst geschrieben hatte) im Magazin „Voice Of Thaksin“ angeklagt. Geschrieben hatte die Artikel der nach den Songkran-Unruhen 2009 ins Ausland geflüchtete Jakrapob Penkair unter dem Pseudonym Jit Pollachan (siehe Fußnote #2, Link nur in Englisch). Der Name ist eine Wortkonstruktion aus den Namen zweier linker Vordenker Thailands: Jit (oder Chit) Phumisak, ein Poet, Historiker und Kommunist (ermordet 1966) http://en.wikipedia.org/wiki/Chit_Phumisak, und Asanaee Pollachan. Beide Artikel beleidigen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft die Monarchie.
Die Anklage wirft Somyot vor, beide Magazinartikel würden den Paragrafen 112 des Strafgesetzbuches verletzen (siehe Fußnote #3).
Es sollte auch noch darauf hingewiesen werden, dass die Verhaftung Somyots fünf Tage nach dem Start einer neuen Kampagne erfolgte, die er zusammen mit dem "Democracy Network" initiierte. Während dieser Aktion sollten 10.000 Unterschriften gesammelt werden, um eine Petition im Parlament einzureichen, mit der Aufforderung, den Artikel 112 des Strafgesetzbuches zu überprüfen bzw. zu überarbeiten.

Der Prozess



Somyot Prueksakasemsuk im Wartebereich des Strafgerichts, 19.12.2012

Nach fast sieben Monaten in Untersuchungshaft begann der Prozess dann endlich am 21.November 2011. Das Beweisverfahren endete am dritten Mai 2012. Seitdem wartet Somyot in seiner Zelle auf das Urteil. Die Vernehmung von vier Zeugen der Anklage fand vor den Provinzgerichten der jeweiligen Provinzen statt, in denen die Zeugen gemeldet waren. Dafür musste Somyot jedesmal in die örtlichen Provinzgefängnisse von Sa Keaw, Petchabun, Nakorn Sawan und Songkla überführt werden und legte dabei eine Gesamtstrecke von mehr als 4000 Kilometern in Gefängnistransportern zurück.
Da den Behörden der schlechte Gesundheitszustand Somyots bekannt war, er leidet unter Bluthochdruck und Gicht, sind deren Entscheidungen bzgl. der Anhörungen in den vier Provinzen nicht nachvollziehbar. Insbesondere, da alle vier Zeugen der Anklage in Bangkok leben und arbeiten. Die Vernehmung hätte also ohne weiteres vor dem hiesigen Strafgericht durchgeführt werden können. Dies wäre weniger zeitaufwändig und belastend für alle Teilnehmer gewesen.

Pressekonferenz am 7. September 2012 mit einem seiner Anwälte, Karom Polponklang, und seiner Frau  Sukunya.

Der erste Termin zur Urteilsverkündung war für den 19.September 2012 angesetzt, wurde dann aber auf den 19.Dezember 2012 vertagt. Da Somyots Anwalt eine Beschwerde vor dem Verfassungsgericht eingereicht hatte unter der Fragestellung, ob der Artikel 112 überhaupt verfassunskonform sei, mußte das Strafgericht erst das Urteil der Verfassungsrichter abwarten. Der Artikel steht laut Ansicht des Verfassungsgerichts nicht im Widerspruch zur Verfassung Thailands.

Am 19.Dezember 2012 verlas das Strafgericht jedoch nur die Entscheidung und die Begründung des Verfassungsgerichtes. Als möglicher Termin für die Urteilsverkündung wurde der 23.Januar 2013 genannt.
Interessanter Weise waren kaum Rothemden oder Gewerkschafter im oder vor dem Gericht anwesend. Wenn ich da an die Dutzenden oder sogar hunderte von Anhängern denke, die sich vor dem Gericht versammelt hatten, um Jatuporn und die anderen UDD-Führer zu unterstützen, scheint es, dass Somyot nicht mehr viel Rückhalt in der thailändischen Bevölkerung hat. Um die 100 Personen hatten sich im Gerichtssaal versammelt, darunter alte Weggenossen, gute Freunde, Journalisten aus dem In- und Ausland, Vertreter diverser Botschaften und NGO´s. Zeit seines Lebens hat Somyot sich für die Arbeiterbewegung und deren Stärkung und Rechte eingesetzt, aber es gibt offensichtlich nur wenige Menschen, die sich noch daran erinnern.

Während der seit zwanzig Monaten andauernden Haft haben Somyots Familie und dessen Anwälte insgesamt 11 Mal die vorübergehende Freilassung auf Kaution beantragt. Alle 11 Anträge wurden von den Richtern abgelehnt.

Somyots Sohn Panitan Pruksakasemsuk begann am 11. Februar 2012 einen 112 stündigen Hungerstreik, um ein weiteren Antrag auf Freilassung gegen Kaution für seinen Vater zu unterstützen.
Mehr über den Hungerstreik seines Sohnes im Februar 2012 unter: http://www.existenzielle.de/cms/Magazin/Magazin-Blogs/Big-Mango-and-Beyond/index-b-1-122-1699.html (in Deutsch und in Englisch)

 Die Haftzeit


Zunächst war Somyot für mehrere Monate in Sa Keaw inhaftiert, bis er dann Anfang November 2011 nach Bangkok ins Bangkok Remand Prison verlegt wurde. Während der Überführung nach Bangkok in einem total überfüllten Gefängnistransporter war Somyot gezwungen, die gesamte Fahrt über zu stehen, mit 10 Kilogramm schweren Ketten an den Fußgelenken.
Über die Zustände in den Gefängnissen merkte er an, dass die Lebensbedingungen in Sa Keaw, was das Essen und die Ausstattung betrifft, besser seien als im Bangkok Remand Prison. Allerdings war das Gefängnis in Sa Keaw vollkommen überbelegt. Die Gefangenen hätten nachts nur eng aneinander gedrängt schlafen können.
Während seiner Haft in Bangkok wurde er unter dem Namen „der Bibliothekar des Bangkoker Gefängnisses“ bekannt.



Einige Fakten über sein Leben


Geboren am 20.September 1961 widmete er sich Zeit seines Lebens der Aufgabe, Arbeiter aus- und weiterzubilden, um diese so zum eigenverantwortlichem Handeln zu ermutigen sowie deren Rechte zu stärken und ihre Lebensverhältnisse zu verbessern. Seine Frau Sukunya, genannt "Joop", ist Gründungsmitglied des "112 Family Networks". https://www.facebook.com/112FamilyNetwork?ref=hl
Sie haben zwei Kinder, Tai and Tian (Spitznamen).

Somyots Frau Sukunya.

In den 1970-iger Jahren schloß er sich seinem älteren Bruder an, der an den pro-demokratischen Protesten im Oktober 1976 teilnahm. Zu der Zeit war er gerade fünfzehn Jahre alt und Schüler an einer Junior Highschool (entspricht in etwa der Realschule in Deutschland).

Ab 1986 arbeitete er als Vollzeitkraft für die NGO "Thailand YCW" ( Young Christian Workers) in Rangsit.  http://www.joci.org .

1991 gründeten Somyot und mehrere Mitstreiter das Zentrum  für Arbeit und Internationale Solidarität in Thailand (CLIST), welches dringend benötigte Ausbildungprogramme und Hilfestellungen anbot für die örtlichen Gewerkschaften in den Industriezonen Bangkoks. http://links.org.au/node/2494
Somyot Prueksakasemsuk war außerdem als Projektkoordinator für die ICEM (International Federation of Chemical, Energy, Mine and General Workers' Unions) in Thailand tätig. Da er sich schon immer für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen und die Stärkung der Arbeiterrechte einsetzte, nahm er unter anderem auch an einigen Kampagnen der Clean Clothes Campaign teil, z.B. an dem Landmark Eden Prozess in 1990-igern und erst vor wenigen Jahren an dem MSP Prozeß in 2006.
http://www.cleanclothes.org/news/4-companies/997-good-news-in-msp-case-union-activists-reinstated-in-thailand
"The Clean Clothes Campaign is dedicated to improving working conditions and supporting the empowerment of workers in the global garment and sportswear industries". http://www.cleanclothes.org/

2005 gründete er einen politsch links ausgerichteten Verlag. Unter anderem wurden dort Bücher über die thailändische Arbeiterbewegung gedruckt. Als Teil der Verbreitungsstrategie des Verlages organisierte er eine Reihe von öffentlichen Debatten und Seminaren, aber er nutzte auch Onlineforen und Blogs, um bei den Menschen Interesse an Themen wie thailändische Politik, Arbeit und soziale Gerechtigkeit zu wecken. 
http://freesomyot.wordpress.com/page/14/

Nach dem September-Putsch 2006 gründete er 2007 die  "24th of June For Democracy Group" und schloß sich der "National United Front for Democracy Against Dictatorship" an, aus der später die heutige "United Front for Democracy Against Dictatorship" (UDD) hervorging. Bevor er die UDD später verließ, gehörte er der zweiten Reihe der Führungsriege an.

Am 26. Juli 2007 startete er die Veröffentlichung des zweimal monatlich erscheinenden Magazins "Voice of Thaksin". Somyot war der verantwortliche Chef-Redakteur des Magazins und der dazugehörigen Webseite. 2010 wurde die Zeitschrift in "Red Power" umbenannt.

Am 24. Mai 2010 wurde er das erste Mal verhaftet und saß für 21 Tage in Untersuchungshaft. Das CRES (Centre for Resolution of Emergancy Situation) beschuldigte ihn, den Paragrafen 11 der Notstandsverordnung für die staatliche Administration während eines Ausnahmezustandes B.E. 2548 (2005) verletzt zu haben. Dieser erlaubt die Verhaftung und Inhaftierung von Personen "die im Verdacht stehen, für den Notstand verantwortlich zu sein, Anstifter zu sein, die Situation weiter anzuheizen, Unterstützer zu sein oder aber verdächtig sind, wichtige Informationen über den Grund/die Ursache, der/die zum Notstand führt, zu verschleiern oder zurückzuhalten." http://links.org.au/node/2494

2012 war er einer von fünf nominierten Kandidaten für den Somchai Neelapaichit Award.

Fußnoten:
#1: Chiranuch Premchaiporn (or Premchaipoen) ist der Webmaster der Prachatai-Webseite http://www.prachatai3.info/english/ und wurde beschuldigt, die Artikel 14 und 15 des "Computer Crime Acts" und Artikel 112 des "Criminal Codes verletzt zu haben.
2011 wurde ihr der  Hellman-Hammett-Preis verliehen. http://www.existenzielle.de/cms/Magazin/Magazin-Blogs/Big-Mango-and-Beyond/index-b-1-122-1628.html (in German language only)


#2: Jakrapob Penkair - wurde 2003 vom damaligen Premierminister Thaksin Shinawatra zum Regierungssprecher ernannt. Er war außerdem Gründungsmitglied der "National United Front for Democracy Against Dictatorship" (nach dem Putsch September 2006), aus der kurze Zeit später die heutige "United Front for Democracy Against Dictatorship" (UDD) hervorging. http://en.wikipedia.org/wiki/Jakrapob_Penkair


#3: Artikel 112 des Strafgesetzbuches: Wer den König, die Königin, den Thronfolger oder den Regenten verleumdet, beleidigt oder bedroht, soll mit Freiheitsentzug von drei bis fünfzehn Jahren bestraft werden.  http://www.thailandlawonline.com/Laws/criminal-law-thailand-penal-code.html




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